In der Ausstellung "SchattenRisse" im Frühjahr 2001 im Münchner Kunstbau faszinierte mich die Arbeit "Farbige Schatten" von Stefan Saffer: Um unregelmäßige Ringformen aus weißer, mit dezenten einfarbigen Linien "bekritzelter" Pappe, die vor einer weißen Wand schwebten, erstrahlten zartfarbige Auren, die wie mit Farbspray auf die weiße Wand aufgesprüht wirkten. Bei näherer Betrachtung stellte sich jedoch heraus, dass es keine "echte" Farbe war, sondern eine Farblichtreflexion, die durch die neonfarbigen Rückseiten der Ringformen entstand - es handelte sich um den aus dem Bastelgeschäft bekannten Plakatkarton in den Neonfarben Grün, Gelb, Orange, Pink, Rot. Eine wunderbare Idee, dieses Bastelmaterial künstlerisch einzusetzen, fand ich, die ich gern für den Kunstunterricht aufgreifen wollte.
Farbige Schatten
Durch welchen Prozess kann so etwas entstanden sein? Welchen Inhalt kann es haben? Was könnte es darstellen?

Die gewundenen Linien erinnerten mich an mögliche Spuren vom Musikmalen, also dem Führen eines Stifts über das Papier entsprechend den Bewegungen eines gehörten Musikstücks. Hiervon ausgehend entwickelte ich den Unterrichtsverlauf:
nach einer Arbeit von Stefan Saffer
Ich stelle mir die zweiflerische Frage: "Haben die Kinder Künstlerisches geleistet oder nur etwas nachgemacht? Haben sie gestalterische Entscheidungen getroffen oder lediglich automatisch und angeleitet gehandelt?" und rechtfertige mein Vorgehen so: "Die Kinder haben aus der Musik nach ihrer Empfindung Farben herausgehört. Sie haben Gehörtes nach ihrem Empfinden in Bewegung umgesetzt. Sie haben ein sichtbares Werk als Ausdruck / Repräsentant eines hörbaren geschaffen und dies erkannt. Stefan Saffer hat uns hierfür auf eine interessante Darstellungstechnik gebracht. Ich denke, ich kann mein Tun kunstpädagogisch verantworten."
Die Kinder hörten ein Musikstück, in dem malerische Bewegung steckt und das eine Farbe hat - eine rein subjektive Empfindung vermutlich.
Beim Hören sollten die Kinder "feststellen", welche Farbe das Musikstück hat.
Hier bestand allerdings das Problem, dass der Plakatkarton nur in der genannten begrenzten Farbpalette erhältlich ist. Da abzusehen war, dass die stets bevorzugte Farbe Blau häufig genannt werden würde, musste sie auch im Angebot sein; ich fand blaues Neonfarbspray, mit dem ich Pappe besprühte - allerdings keine sehr preiswerte Materialgewinnungsmethode; auch das Ergebnis sah gegenüber dem Neonkarton blass aus.
Sie begründeten ihre Farbempfindungen zum Teil mit gegenständlichen Vorstellungen (Wasser, Wiese), die die Musik bei ihnen auslöste.
Beim zweiten Hören der Musik wurden die Kinder aufgefordert, auf die Bewegungen der Musik zu achten und sie mit den Händen in der Luft - wie ein Dirigent - nachzuvollziehen.
Hiernach endete die erste, vorbereitende Stunde, da die Materialbeschaffung erst nach dem Hören mit Farbeindruck erfolgen kann. Dies hat auch den Vorteil, dass die Kinder das Musikstück nicht durch mehrmaliges Hören leid werden, sondern sich ihnen die Wiederholung mit Abstand als Wiederbegegnung einprägt.
Beim nächsten Hördurchgang in der nächsten Stunde wurde noch einmal die Bewegung mit dem Finger, diesmal als Probe auf der Rückseite des Plakatkartons, vollzogen. Danach wurde es ernst, jetzt kamen die zum Karton gleichfarbigen Ölkreiden zum Einsatz.
Die Außenform des aus den Bewegungslinien entstandenen Gebildes wurde dick nachgezeichnet und ausgeschnitten.
Die auszuschneidende Innenform fanden die Kinder - in Anlehnung an die Außenform - den inneren Linienverläufen folgend.
Styroporplatten (1,5 cm dick) wurden mit Transparentklebeband
an die Wand geklebt. In das Styropor kann man lange Nägel eindrücken, auf die die fertigen Formen aufgelegt werden.
So haben wir Farbe und Form eines Musikstücks sichtbar gemacht.
Der diffuse Farbschein der "farbigen Schatten"
entspricht der Unfassbarkeit und Flüchtigkeit der Musik.
Die ausgeschnittene Form
von der dem Betrachter zugekehrten Seite



und von der neonfarbigen, zur Wand gekehrten Seite
Wie ist Ihre Meinung dazu?