Geschmacksache
Das Bild, das mich zuerst ansprach, weckte in mir durch seine Farben die Erinnerung an den Geschmack einer bestimmten Weinschaumcreme. Welche Geschmäcker haben wohl die anderen Bilder? Empfinden die Kinder die Bilder auch als "Geschmacksache"? Einmal auf die Schiene "Pudding" gekommen, blieb ich dabei (Eis wäre auch sehr geeignet) und fand Bilder, die nach Erdbeer, Karamel, Zitrone und Schokolade schmeckten.
In der Ausstellung zu Eduard Bargheer im Schloss Cappenberg (Frühjahr 2002) gab es eine Abteilung mit Bildern, die sich formal auf den ersten Blick sehr gleichen. Wo soll man anfangen, genauer hinzusehen? Ein erster Interessenlenker kann der Farbeindruck sein - hellgelbgrün oder dunkelbräunlich, pastellrosablau oder...
Am Besuchstag verspeisen die Kinder auf der äußeren Museumstreppe eine kleine Portion Pudding, jeder nur in einer, aber nicht alle in derselben Geschmacksrichtung. Im Museum gehen sie dann mit der Frage "Welches Bild hat diesen Geschmack?" auf die Suche, finden ein Bild dazu und betrachten es nach Farbe und Inhalt.
Anschließend suchen sie aus dem Jaxonkreidensortiment die Farben des Bildes zusammen, wobei auch die zunächst unscheinbaren Farben, die hinter dem vorherrschenden Geschmackseindruck verblasst sind, bewusstwerden. Zur Intensivierung der Bildbetrachtung kolorieren die Kinder damit eine Schwarzweißkopie ihres Bildes. Kreiden und Reproduktion werden in einer Papiertüte, beschriftet mit den Namen der beteiligten Kinder, aufbewahrt. Für die nächste Stunde in der Schule können die Kinder schon einmal ein eigenes Bild nach ihrem Geschmack in diesen Farben und diesem Geschmack planen.
Zum Schluss gibt es eine kleine Führung, bei der die Kinder ihre Bilder vorstellen können. Schön wäre es, wenn nun auch die geführten Kinder Gelegenheit bekommen, den Geschmack dieser Bilder mit einer Puddingkostprobe zu überprüfen.
Die Verwandtschaft von Geschmack und Farbe durch die Farbe der Puddings wird deutlich. Und tatsächlich eignet sich Pudding nicht nur zum Essen, sondern auch zum Malen, so dass die später von den Kindern gemalten Bilder im wahrsten Sinne Geschmack haben können.
Kunst hat viel mit Sinnlichkeit zu tun, und sinnlicher Zugang kann enge Kontakte zwischen Kunstwerk und Betrachter stiften, wobei nicht nur der Augensinn, sondern auch die anderen Sinne eine Rolle spielen können.
Bild: Città morta II, 1964
Bild: Marokkanische Stadt II, 1963
Bild: Mittelmeer II, 1952
In ähnlichem Sinne schreibt Eduard Bargheer im Zusammenhang mit seiner Kindheit an der Elbe: "Durch den Strom erlebte ich auch schon früh, daß nicht nur visuelle Erlebnisse für die Darstellung wichtig waren, sondern die Gleichzeitigkeit aller Sinne, ihre Kongruenz. Ich erinnere mich daran, wie sehr der Geruch des bei Ebbezeit vom Wasser freigegebenen Sandes sich deckte, zusammengehörte mit dem Geschrei der Wasservögel und dem Glucksen in den Schlammprielen, wenn die Flut einsetzte. Ein aus diesem Erlebnis entstehender Klang von Sepia, Schwarz und Grau hätte nicht anders zu sein vermocht: Die erdigen Klänge wären nicht ersetzbar gewesen durch reine Farben." (Eduard Bargheer: Über meine Arbeit (1958). In: Guratzsch, Herwig (Hg.): Eduard Bargheer. Retrospektive zum 100. Geburtstag. Katalog zur Ausstellung auf Schloss Gottorf und Schloss Cappenberg, 2001)

Es erscheint vielleicht despektierlich, Bilder eines Künstlers mit etwas so Profanem wie Pudding und Eis zu vergleichen. Wenn man zweifelt, ob die Bilder durch ihre appetitlichen Pastellfarben und den cremigen Farbauftrag diese Beziehung erlauben, kann man die Aussagen des Künstlers über den Kunstgenuss als Einwilligung deuten: "Zweifellos entsteht der Genuß - jenes uns durch-
strömende Lustgefühl - nur dann, wenn wir uns selbst im Kunstwerk bestätigt finden. Denn Kunstgenuß kann ja nur subjektiv sein und hat niemals etwas zu tun mit einer objektiven ,Richtigkeit'." (Eduard Bargheer, bearb. v. Th. Pöpper: Texte zur Kunst. A. a. O.)
© Unterrichtsidee: Nicola Rother 2002
Gern würde ich hier in diesem Zusammenhang die passenden Werke von Eduard Bargheer abbilden. Aus meiner Sicht wäre das eine Würdigung des Künstlers und quasi Werbung für ihn. Das Urheberrecht sieht es aber als kostenpflichtige Nutzung. Darum verzichte ich auf die Bilder. Wer sich für sie interessiert, dem kann ich sie auf Anfrage mailen.                                              nicolarother()hotmail.de